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Ineke Zimmermann: Von Spukgeschichten bis zum (Waren-)Fetisch. Japanische Rituale für Gegenstände (mono kuyō もの供養) und die Problematik ihrer wissenschaftlichen Analyse

Donnerstag, 1.6.2017
18.30 Uhr – 20.00 Uhr
Japan-Zentrum, Oettingenstr. 67, Raum 115

In Japan existiert gegenwärtig eine Vielzahl von Ritualen, die in buddhistischem Rahmen ausgetragen werden und eine Verbindung zwischen religiösen Institutionen und praktizierenden Laien herstellen. Darunter haben sich in besonders vielfältiger Ausprägung Rituale für Gegenstände (mono kuyō もの供養) entwickelt, bei welchen Gebrauchsgegenstände verschiedenster Art nach einer rituellen Behandlung kollektiv zerstört werden. Bemerkenswert ist nicht nur das Phänomen als solches, sondern ebenso seine wissenschaftliche Behandlung. Häufig wurde mono kuyō als ein Resultat spezifisch japanischer Wertschätzung für die Natur im weiteren Sinne und ein daraus hervorgehendes Verantwortungsgefühl für die Umgebung bis hin zum eigenen Besitz und Gebrauch im engeren Sinne interpretiert. Das Argument einer angeblichen Rückbesinnung auf archaische japanische Werte stößt sich neben anderen Problemen an der Tatsache, dass viele solcher Rituale erst in der Gegenwart entstanden sind.

Auch wenn aktuellere Forschungsansätze innerhalb und außerhalb Japans sich mit verschiedenen Theorien zur rituellen Behandlung von Gegenständen befassen, gelangen sie dennoch häufig zu einer Übereinkunft hinsichtlich eines übergeordneten „japanischen Animismus“. Die Erklärungsversuche reichen von dem Verweis auf Spukgeschichten von beseelten Gegenständen (tsukumogami 付喪神) aus dem japanischen Volksglauben bis hin zur Interpretation der Rituale als Folge eines durch den ökonomischen Wandel bedingten Warenfetisch (Marx).

Im vorliegenden Dissertationsprojekt soll eine differenzierte Betrachtung von mono kuyō erfolgen, bei der zum Einen die Vielfalt der rituellen Praktiken aufgezeigt werden soll, um auf die Problematik eines pauschalisierenden Erklärungsansatzes hinzuweisen. Zum anderen soll der Gegenstandsbezug des Menschen auch außerhalb eines dezidiert religiösen Verständnisses beleuchtet werden. Hierdurch wird auch die Frage nach einer möglichen Übertragbarkeit der Theorien zum Gegenstandsbezug der Japaner auf andere Kulturen angeregt. Dadurch kann das Phänomen mono kuyō in seiner konkreten kulturellen Ausprägung mit Hinblick auf das generelle Potential zur außergewöhnlichen Behandlung von Gegenständen untersucht werden, sei dies wirtschaftlicher, sozialer, psychologischer oder anderer Art.