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Der gesellschaftliche Umgang mit dem Großen Kantô-Erdbeben 1923

Wissenskulturen und Expertentum in Japan

12.06.2014

Julia Mariko Jacoby, M.A., cand. phil. (Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg)


Wie uns immer wieder ins Bewusstsein gerückt wird, wird Japan aufgrund seiner geologischen und geographischen Gegebenheiten regelmäßig von verheerenden Naturkatastrophen heimgesucht, von Tsunamis, Erdrutschen, Typhoons, aber vor allem von großen Erdbebenkatastrophen. Obwohl diese extreme Naturereignisse sind, sind Katastrophen doch in erster Linie gesellschaftliche Phänomene, da es stark von der Betroffenheit von Menschen und deren Deutungen abhängt, dass sie als solche wahrgenommen werden. Naturkatastrophen sind so gesehen eine Form von gesellschaftlicher Krisensituation, für die Bewältigungsstrategien gesucht werden. Wissen spielt hierbei eine zentrale Rolle: Die Nachfrage nach Wissen und Information steigt infolge einer Katastrophe stark an (nicht zuletzt kann das katastrophentypische Auftreten von Gerüchten als Ausdruck solcher Bedürfnisse gesehen werden), aber auch die Produktion und Vermittlung von Wissen erhält einen enormen Auftrieb. Nach dem Eintreten des Großen Kantô-Erdbebens von 1923 erschien eine beeindruckende Anzahl von Druckerzeugnissen. Es gab kaum einen Intellektuellen, der sich nicht zur Katastrophe äußerte. Außerdem wurde infolge der Erdbebenkatastrophe das erste wissenschaftliche Institut zur Erforschung von Erdbeben an der Universität Tokyo (1925) eingerichtet.

In diesem Dissertationsprojekt soll das Konzept der "Wissenskulturen" auf Katastrophen angewendet werden. Schwerpunkt bei der Betrachtung liegt bei diesem auf der gesellschaftlichen Funktion von Wissen im Spannungsfeld der Institutionen und Akteure, die Wissen produzieren, weitergeben, rezipieren und anwenden. Wissen wird hierbei nicht auf die enge Definition als Produkt wissenschaftlicher Forschung beschränkt, sondern beinhaltet Wissen in verschiedenartigen Ausprägungen, also auch etwa religiöses Wissen, praktisches Alltagswissen und traditionelle Überlieferung. Besondere Beachtung soll die Rolle der Experten für die Bewältigung der Katastrophe erhalten – im heutigen Japan ein allgegenwärtiges Phänomen.

Im Vortrag werden zunächst Konzept und Quellenmaterial vorgestellt. Danach soll die Möglichkeit einer Herangehensweise aus vergleichender bzw. globaler Perspektive zur Debatte gestellt werden. Dabei wird die Erdbebenkatastrophe von San Francisco 1906 als ein vergleichbares Ereignis einbezogen.