Japan Zentrum
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"Denn ich bin nur eine Frau"

Geschlecht und das Reisen in Aufzeichnungen über London in den Zwischenkriegsjahren

16.04.2015

Vortrag von Sandra Beyer, M.A. (Japanologie, Universität Frankfurt)

Wegen seiner Ausdehnung und seines demokratischen Erbes war das Britische Empire für japanische Reisende in der Zeit zwischen den ersten Gesandtschaften nach Europa ab 1862 bis zu den Pariser Verträgen 1919 der Ort für Handel und ökonomischen Erfolg. In den 1920er Jahren galt unter Japanerinnen die Hauptstadt London als Symbol für Wohltätigkeit, politische Aktivität und als Beweis dafür, dass sich parlamentarische Mitbestimmung und die Unterstützung kolonialer Expansionen vereinen ließen. Schreiben bedeutete für weibliche Reisende, für die eigenen Rechte zu argumentieren und dabei auf die staatstragende Rolle von Frauen zu verweisen. In den 1930er Jahre nutzten Schriftstellerinnen ihren Ruf und das Geld, die sie sich als "Reiseschreibende" (Opitz 1997) erarbeiteten, um sich das Reisen zu verdienen.
Der Vortrag soll einen Einblick in ein aktuelles Forschungsprojekt zu Reiseaufzeichnungen von Japanerinnen in der "kolonialen Moderne" (Barlow 1997) geben. Beginnend mit einer kurzen Genrediskussion zu "Reisebericht" und "Reiseliteratur" soll der Frage nach Geschlechterkonstruktionen in dieser Textgattung nachgegangen werden. Anhand von Aufzeichnungen von den drei Reisenden MAGÔRI Sakako (1932), KITAMURA Kaneko (1930) und YOSHIYA Nobuko (1930) soll gezeigt werden, wie unverheiratete Frauen für ökonomische und politische Freiheiten argumentierten, indem sie die modernen ryokôki ("Reiseaufzeichnungen") auf vormoderne literarische Traditionen zurückführten und gleichzeitig die sich verändernden literarischen Produktionsbedingungen der Moderne nutzten. Das Projekt geht von der These der feministischen Reiseliteraturforschung aus, dass Frauen zugleich Subjekt und Objekt ihrer Erzählungen sind. Dabei grenzt es sich von diskursanalytischen Ansätzen der Geschlechterforschung ebenso ab wie von japanologischen Forschungen, die Reiseaufzeichnungen ethnografisch als Geschichtsdokumente lesen. An jenen Texten der moga ("modern girls") lässt sich zeigen, dass die Reiseschreiberinnen die Themen ihrer Zeit in ihren Aufzeichnungen aufnahmen. Letztlich geht es auch um die Frage: wie werden in Reiseaufzeichnungen Geschlecht und Geschlechtlichkeit erzählt?