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Dissertationsprojekt Schumacher (Exposee)

Illustrating Sōseki: Bild-Text Referenzen im Werk von Natsume Sōseki im zeithistorischen Kontext des Fin de Siècle (~1880-1919)

(Betreuung: Prof. Dr. Evelyn Schulz)

Natsume Sōseki 夏目漱石 (1867-1916) gilt als einer der prägendsten Schriftsteller der Meiji-Zeit (1868-1912), dessen Werke eine kontinuierliche Relektüre erfahren.

Sōsekis Œuvre ist auffallend vielseitig. Es umfasst neben humoristischen Zeit- und Charakterstudien, wie den Fortsetzungsroman Wagahai wa neko de aru 吾輩ハ猫デアル (1905-1906; dt. Übers.: „Ich der Kater“, 1996) und den ästhetisch-theoretischen Künstlerroman Kusamakura 草枕 (1907; dt. Übers.: „Das Graskissenbuch“, 1996), auch Werke, in deren Mittelpunkt eine psychologisierende Identitätssuche steht, wie sie insbesondere für Sōsekis wohl berühmtesten Roman, Kokoro こゝろ (1914; dt. Übers.: „Kokoro“, 1976), kennzeichnend ist. Dies sind zugleich die Werke, die im Mittelpunkt der bisherigen Forschung stehen. Darüber hinaus liegen von Sōseki kulturtheoretische, gesellschaftsanalytische und zeitdiagnostische Essays und Kommentare sowie Briefwechsel vor. Bei der Betrachtung der Erstpublikationen von Sōsekis Werken wird jedoch deutlich, dass die Textebene nur einen Aspekt dieser Bücher darstellt. Darüber hinaus existiert eine visuell-bildnerische Ebene, die mit der textuellen Ebene korrespondiert und in Form von Illustration und Buchschmuck auftritt. Künstler, die für Sōsekis Werke Illustrationen angefertigt haben, sind u.a. Hashiguchi Goyō 橋口五葉 (1881-1921), Nakamura Fusetsu 中村不折 (1866-1943) und Tsuda Seifū 津田青楓 (1880-1968).

Hauptannahme dieses Promotionsvorhabens ist, dass in den Erstausgaben von Sōsekis Werken Bild-Text Referenzen geschaffen werden, die nicht nur die Texte Sōsekis illustrieren, sondern auch Aspekte der damaligen Zeit visualisieren. Methodologisch soll diese Annahme durch eine Systematisierung des Quellenmaterials (Bild-Text) und einer anschließenden vergleichenden Bild-Text Analyse auf der Basis von close reading untersucht werden. Wichtige Quellen und Materialien für das Forschungsvorhaben befinden sich u.a. im Sōseki-Archiv (Sōseki bunko 漱石文庫) der Tōhoku Universitätsbibliothek (Tōhoku daigaku fuzoku toshokan 東北大学附属図書館)1, in dem Sōsekis Bibliothek verwahrt wird.

Sōseki selbst begriff die Buchillustrationen nicht nur als schmückendes Beiwerk, sondern verstand sie ganz im konzeptionellen Sinne des „Gesamtkunstwerks“ des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Prägend für Sōsekis Begriffsverständnis‘ des „Gesamtkunstwerks“ war sein Aufenthalt in London (1900-1902), wo er u.a. Aubrey Beardsleys (1872-1898) Illustrationen zu Sir Thomas Malorys (um 1416-1471) Le morte d’Arthur (15. Jh.) und Oscar Wildes (1854-1900) Salomé (1893) kennenlernte.2 Darüber hinaus ist das Konzept von gassaku 合作, der Zusammenarbeit, insbesondere von Schriftstellern und Holzschnittkünstlern in der Edo-Zeit 江戸時代 (1603-1867), als prägender Einfluss für Sōsekis Verständnis zur Rolle von Illustrationen in literarischen Werken zu berücksichtigen. Sōseki selbst äußert sich beispielsweise folgend:

Es sind meisterhafte Illustrationen, die alles bisher Dagewesene übertreffen und ich freue mich auf die Überraschung der Leser, wenn sie die gedruckten Illustrationen sehen. […] Ihnen [Nakamura Fusetsu, Anm. d. Verfassers] ist es zu verdanken, daß meine Texte so an Glanz gewonnen haben, daß man sie nun in Buchform veröffentlichen kann.3

Ausgangspunkt dieses Promotionsvorhaben ist somit zunächst das Verhältnis von Text und Illustration im zeithistorischen Kontext. Folgende Fragen sollen dabei im Vordergrund stehen: Wie gestaltet sich das Verhältnis von Bild und Text? Darauf aufbauend soll das professionelle Verhältnis von Schriftseller und Künstler untersucht werden. Weitere Fragen sind: Inwieweit beeinflussen Thematik und Genre die Art der Illustrationen? Daran anknüpfend, welchen Stellenwert haben die Illustrationen im Kontext der Künstlerœuvre? Und schließlich: inwiefern können diejenigen Texte Sōsekis, die illustriert wurden, zugleich als eine Visualisierung der Meiji-Zeit verstanden werden? Im Konkreten meint dies, inwieweit hier moderne Fragestellungen und gesellschaftliche Problematiken verbildlicht werden und somit einen Beitrag dafür leisten, Sōseki auch auf visueller Ebene in den Diskurs um die Moderne einzuordnen.

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1 http://www.library.tohoku.ac.jp/collection/collection/soseki/ und http://www.i-repository.net/il/meta_pub/G0000398soseki (je 21.03.2018).

2 Weiterführend relevant ist in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung künstlerischer Ausdrucksformen im ‚Westen‘, die unter dem Begriff Japonismus‘ gefasst werden können und deren Rückkopplung nach Japan.

3 Brief von Natsume Sōseki an Nakamura Fusetsu, 02.03.1906, zit. n. WAKABAYASHI-OH, Misako (1990). „I. 3 Natsume Sôseki: Yôkyoshû“. In: Wolfgang Schamoni et al. (Hg.). Buch und Literatur – Japan 1905-1931. Eine Ausstellung des Japanologischen Seminars der Universität Heidelberg in der Universitätsbibliothek vom 26. April bis zum 7. Juli 1990. Heidelberg: Heidelberger Bibliotheksschriften 41, S. 19.