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Habilitationsprojekt Paulus Kaufmann (Deutsch)

Projektskizze

„Die Wirklichkeit der Dharmas benennen“ - Kûkai über Bedeutung, Wahrheit und Rhetorik

Der japanische Mönch Kûkai (774-835) wird von vielen zeitgenössischen Interpreten als Sprachphilosoph und –theoretiker gehandelt. In der Tat ist Sprache eines der großen Themen in Kûkais buddhistischer Lehre. Umso erstaunlicher ist es, dass bislang keine Untersuchung dazu existiert, welche Auffassung von Bedeutung und Wahrheit Kûkai in seinen Schriften vertritt. In der gegenwärtigen Philosophie gelten Bedeutung und Wahrheit schließlich als die sprachphilosophischen Themen schlechthin. Daher schlägt das hier vorgestellte Projekt vor zu untersuchen, welche Bedeutungs- und Wahrheitskonzepte Kûkai explizit oder implizit in seinen Schriften vertritt. Da für Kûkai gerade auch die Vermittlung der buddhistischen Wahrheiten ein wichtiges Thema darstellt, ist sein Verständnis der Beziehung zwischen Wahrheit und Rhetorik dabei von besonderem Interesse. Kûkai verwendet in seinen Texten Ausdrücke (gi 義 und shin 真), die man in vielen Kontexten mit den deutschen Wörtern „Bedeutung“ und „Wahrheit“ übersetzen kann. Er verfügt zudem mit dem Wort „hôben“ (方便) über einen Ausdruck, der u.a. rhetorische Strategien umfasst. Dennoch enthält sein Werk keine ausgearbeitete Bedeutungstheorie und auch keine explizite Lehre über das Verhältnis von Wahrheit und Rhetorik. Dennoch erscheint es sinnvoll, Kûkais Texte mit der Frage nach den darin vorkommenden Bedeutungs- und Wahrheitskonzepten zu konfrontieren. Das Ziel dieser Konfrontation besteht nicht primär darin, Kûkai eine bestimmte sprachphilosophische Position zu- oder abzusprechen, Gemeinsamkeiten mit europäischen Sprachphilosophen hervorzuheben oder aktuelle Probleme der Sprachphilosophie zu lösen. Vielmehr dienen die Fragen dazu, Kûkais Texte besser zu verstehen und interpretatorische Fragen zu deren zentralen Ideen zu beantworten. So dienen die Untersuchungen zu Bedeutung, Wahrheit und Rhetorik bei Kûkai vor allem dazu, sein Verständnis des Dharmakāya Buddha, von Mantra und Ritualen, Mandala und buddhistischer Kunst sowie von Natur und Körper zu klären. Der in diesem Projekt gewählte Zugang zu Kûkais Texten ist also ein im weiten Sinne hermeneutischer, dem es darum geht, den Blick, den ein Autor auf die Welt einnimmt, nachzuvollziehen. Hermeneutik wird hier als Erfahrungswissenschaft verstanden, für die Interpretationshypothesen am vorhandenen Textmaterial nachgewiesen werden müssen. Um die gerade bei den philosophischen Interpretationsversuchen zu Kûkai typische Fokussierung auf einen zu kleinen Werkausschnitt zu vermeiden, sollen nicht nur Kûkais im engeren Sinne doktrinäre Texte Shôjijissôgi, Sokushinjôbutsugi, Unjigi und Benkenmitsunikyôron analysiert werden, sondern auch das bislang unübersetzte Jûjûshinron sowie seine Ritual- und Sutrenkommentare. In diesen Texten wird Kûkais Einstellung zur Sprache weniger durch seine expliziten Äußerungen, als vielmehr dadurch deutlich, dass Kûkai zu einem bestimmten Sprachverhalten auffordert und den Sutren Bedeutungen zuschreibt.

Auf diese Weise soll ein Beitrag zur japanischen Ideengeschichte sowie zum buddhistischen Diskurs über die Sprache geleistet werden. Ebenso versteht sich dieses Projekt als Beitrag zur Philosophie. Auch heute noch ist die Philosophie in Europa und Nordamerika, aber auch in Afrika und Asien vorrangig auf die Diskussion westlicher Ideen konzentriert. Das hier vorgeschlagene Projekt will dazu beitragen, das außereuropäische Denken in den weltweiten philosophischen Diskurs zu integrieren.