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Gômanizumu sengen zwischen „Nihon no kaiki“, hate speech und far right

26.04.2012 um 00:00 Uhr

Projektvorstellung von Philipp Aubert, M.A.

Ziel der Arbeit ist der Nachweis, dass in Sensôron rechtspopulistische Positionen vertreten werden und dass diese in den 90er Jahren in der japanischen Gesellschaft an Schärfe zugenommen haben. Ferner wird der Frage nachgegangen, was den Manga für die Leser attraktiv macht und worin die Gründe dafür liegen.

Kobayashi, geboren 1953, gehört zu den erfolgreicheren Manga-Zeichnern der letzten Jahre. Endgültige Berühmtheit erreichte er mit der Serie Gômanizumu sengen, die seit 1992 erscheint. Seine Schaffensperiode lässt sich in drei Phasen einteilen: erstens als Verfasser von shônen-Comics (Obochama-kun, Tôdai icchokusen), zweitens als Autor der Satire-Serie Gômanizumu sengen und drittens als Autor der Nachfolge-Serie Shin gômanizumu sengen. Das Shin gômanizumu sengen (1995) stellt einen Wendepunkt in Kobayashis Position dar: War die politische Satire in Gômanizumu noch politisch vage, so schließt sich Kobayashi in Shin gômanizum sengen einer politischen Richtung an, die als far right bezeichnet werden kann. Anlass für diesen Wandel war die Forderung der comfort  women, Reparationen vom japanischen Staat zu erhalten. Kobayashi schließt sich 1996 der Atarashii rekishi kyôkasho wo  tsukuru-kai an. 1998 bringt er eine Sonderedition von Shin gômanizumu sengen heraus, die endgültig seine politische Position festlegt: Sensôron.

In Sensôron steht nicht mehr die politische Satire im Vordergrund, wie es noch im ersten Gômanizumu der Fall war. Stattdessen ist Sensôron ein Traktat über die Notwendigkeit von Kriegen in Gegenwart und Zukunft. Dazu glorifiziert Kobayashi den Krieg, den Japan von 1931 bis 1945 führte. Darüber hinaus findet sich in Sensôron eine Negation der japanischen Kriegsverbrechen, die mit einer gleichzeitigen Ablehnung und Dämonisierung der chinesischen Armee und der US-Armee verbunden ist. Kobayashi greift auch die japanische Linke, die Demokratie und den Pazifismus an – Ideologien die er als 'Gehirnwäsche' bezeichnet. Kobayashi fordert dagegen eine Rückkehr zu einem totalitären System. Besonders wichtig erscheint in diesem Zusammenhang der von Kobayashi mehrfach verwendete Begriff ôyake. Ôyake bedeutet ursprünglich „Öffentlichkeit“, aber in Sensôron wird die Bedeutung auf „Gemeinschaft“, „Nation“ und „Staat“ ausgeweitet. In der letzten Konsequenz bedeutet das ôyake in Sensôron eine Neuinterpretation des Kriegszeit-Slogans messhihôkô.

Kobayashi weist darüber hinaus der japanischen Nation den höchsten Rang zu. Universelle Werte wie Demokratie, Menschen- und Freiheitsrechte lehnt Kobayashi als „unjapanisch“, beziehungsweise „schädlich für die Öffentlichkeit“ (und somit für das Kollektiv, bzw. die Nation) ab. Dies ist vergleichbar mit dem Phänomen nihon no kaiki.

Nihon no kaiki bedeutet die Ablehnung sämtlicher westlicher politischer Theorien, bei einer gleichzeitigen Rückforderung der „japanischen Identität“. Als Gegenpol zu den westlichen Einflüssen fungiert das Prinzip des nihon shugi.

Ein besonderes Element von nihon no kaiki ist die ideologische Konversion (tenkô), sowohl bei Individuen, als auch im Kollektiv. Diese Kehrtwende lässt sich am Wandel des Kriegsbildes in der japanischen Gesellschaft feststellen. Sie fand ihren Höhepunkt im Nationalismus der 90er Jahre. Auch in der Nachkriegsgeschichte des Manga tritt diese Tendenz auf. Kobayashi macht ebenfalls im Zeitraum von 1995-1996 einen tenkô durch.

Ein weiteres Ziel in Sensôron ist die visuelle Herabwürdigung von Kobayashis Gegnern. Eine semiotische Analyse zeigt, dass in Sensôron durch Methoden der Kriegspropaganda visuell auf die Herabwürdigung, und die symbolische Vernichtung des Gegners abgezielt wird. Sensôron definiert sich damit als hate speech, als „repressive Sprache“ (Judith Butler).

Speziell die Leugnung der Kriegsverbrechen ist als hate speech zu verstehen. Die Leugnung der Kriegsverbrechen bedeutet gleichzeitig einen Angriff auf das chinesische Kollektiv, die politische Rolle der USA und die japanischen Vertreter der Demokratie und des Pazifismus. Auf Korea bezogen verfolgt der Manga Kenkanryû (2005, von Yamano Sharin) eine ähnliche Methode. In beiden Fällen geht es nicht nur um den Ausschluss des Anderen, sondern um dessen Auslöschung.  Die Leugnung der Kriegsverbrechen der japanischen Vertreter ist in Methodik und Zielsetzung vergleichbar mit der europäischen und amerikanischen Holocaust-Leugnung. Holocaust-Leugnung wird wiederum als ein Merkmal für das Phänomen far right angesehen. Far right-Parteien (und Einzelakteure) gehen über die Grenzen des Konservatismus und der demokratischen Prinzipien hinaus, da sie zu einem gewissen Prozentsatz eine totalitäre, bzw. ultranationalistische Doktrin vertreten.

Kobayashi ist in seinem Denken auch der far right zuzuordnen, wodurch sich eine Schnittmenge mit der Ideologie der extremen, terroristische japanischen Rechten (uyoku) ergibt. Lediglich die direkte Aktion teilt Kobayashi mit den uyoku nicht.

Ein Rückblick auf die japanische Nachkriegsgeschichte zeigt, dass es Entwicklungen und Diskontinuitäten in der Ideologie der japanischen far right gibt. Ihre Ideologie bekommt im japanischen Mainstream ab den 80er Jahren zunehmend Gewicht, den Höhepunkt hatte dieser Rechtsruck vorerst in den 90er Jahren. Auch weltweit nahmen die Erfolge der far right-Parteien in den 90er Jahren zu.

Es stellt sich nun die Frage, was die Ideologie der far right für die Bevölkerung attraktiv macht. Zwei Dimensionen erleichtern das Aufkommen von far right-Akteuren und ihre Unterstützung: Krisen und nationale Schocks einerseits, andererseits gesellschaftliche, politische und ökonomische Dynamiken, die durch die Globalisierung in Bewegung gesetzt werden.

Auch das Erscheinen von Sensôron fällt in einen Zeitraum, in dem die japanische Gesellschaft Schocks ausgesetzt war, die einen Grund für die Popularität von Kobayashis Mangas bedeuteten. Für eine weitere Untersuchung des Verhältnisses zwischen japanischen far right-Akteuren und der Bevölkerung führt die Spur ins Internet, wo auf message boards wie Nichanneru  dieselben Parolen geäußert werden, die Kobayashi bereits in Shin gômanizumu einem breiten Publikum zugänglich und plausibel gemacht hat: Hate speeches.