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Die literarisierte Abstiegsgesellschaft – Texte über ein prekäres Japan

Vortrag von Prof. Dr. Lisette Gebhardt (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, Japanologie)

14.07.2011

Die „Verlorene Dekade“ der 1990er Jahre, die nach der Phase der  Bubblewirtschaft einsetzte, fand an ihrem Ende ein interessantes Echo in der japanischen Literatur – Kritiker riefen 1998 eine neue proletarische Literatur aus. Tatsächlich beschäftigten sich die der Sozialproblematik zugewandten zeitdiagnostischen Texte mit Abstiegsszenarien und defizitären Soziotypen wie Freetern, NEET und hikikomori.  Die Literatur in den Anfängen der Heisei-Zeit kann man aus der Rückschau vielleicht als die einer „Verlorenen Generation“ (rosujene) oder als „Prekariatsliteratur“ bezeichnen. Um das Jahr 2006 wird der Begriff Prekariat in den japanischen Medien virulent, und es dauert nicht lang, bis man den Terminus Prekariatsliteratur prägt; sie kommentiert die japanische Abstiegsgesellschaft, zeigt ein „ganz unten“, entwirft eine Grammatik des Negativen, spielt auf der Klaviatur von Frustrationsgefühlen und artikuliert Japanhaß.

Als repräsentative Vertreterin dieser „dunklen Literatur“ ist Kirino Natsuo zu nennen. Für das unglückliche Japan der Post-Bubble-Ära hat sie die Metapher „Bubblonia“ gefunden. Kirinos aktueller Beitrag zum traurigen Dasein des japanischen Kindes ist der Roman Yasashii otona (2010; Freundliche Erwachsene). Die illustrierte Dystopie im Light Novel Format spielt in einem fiktiven Japan der nahen Zukunft – die Verarmung des Landes ist offenbar stark angewachsen, das soziale Gefälle tritt markant zu Tage. Aber es gilt vor allem, die seelische Prekarität zu überwinden: Gibt es noch Hoffnung für Japan?

Abschließend wird zu überlegen sein, ob in der Post-Fukushima-Ära eine japanische Prekariatsliteratur ihre Bedeutung eingebüßt hat. Denn mit den Ereignissen vom 11. März 2011 wurde das Unglück der prekären Phase von einer schlimmeren Wirklichkeit eingeholt.

Der Votrag findet statt am 14.07.2010, 18:30-20:00 Uhr, Oettingenstr. 67, Raum 131.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen!