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Sektion Medien und Populärkultur -- Session 2

Modemedien in Japan. Diversifizierung und Digitalisierung ab den 90er Jahren

Jana Katzenberg

Die Verschiebung von klassischem Print hin zu digitalen Medien ist nicht nur für Verleger und Journalisten eine interessante Entwicklung, sondern auch aus kulturwissenschaftlicher Perspektive von Relevanz. Die Modewelt und ihre Konsumenten beispielsweise definieren sich bisher stark über die zum Thema publizierten Medien, vor allem Zeitschriften (vgl. Barthes, Moeran).
Für Japan unterstreichen auch Untersuchungen wie die von Assmann (2004) die Wichtigkeit von solcherlei Printmedien, indem sie den hohen Grad an Modebildung und -konsum im Land in direkte Verbindung zu den bisher dort in großer Vielfalt publizierten Mode- und Lifestyle-Magazinen setzen. Schnelle Glasfaseranschlüsse und eine frühe Adaption des mobilen Internets bereits in den ausgehenden 1990er Jahren prädestinieren das Land jedoch auch für richtungsweisende Entwicklungen in neue, digitale Bereiche. Als einer der wichtigsten Vorreiter dieser Digitalisierung werden häufig Blogger genannt – im angesprochenen Bereich meist modeinteressierte, aber außerhalb der Industrie stehende und nicht zwingend zu Fachleuten ausgebildete Menschen. Sie werden gerne als Bindeglied zwischen Produzenten und Konsumenten gelobt, da sie als alltagsnah und vergleichsweise unabhängig gelten und mit ihren Inhalten eine globale Mode-Enzyklopädie bestücken, die jederzeit und unverbindlich verfügbar und durchsuchbar ist. Somit scheint die Balance des zuvor entstandenen Systems aus Modeschöpfern und Industrie, Medien sowie Rezipienten/Kunden gestört zu sein — die Zeitschrift als alleiniger Vermittler und Gatekeeper droht, ihre Position zu verlieren.
In meinem Vortrag werde ich mich mit den Auswirkungen dieses Phänomens auf die japanische Modeindustrie beschäftigen, wo bislang extrem spezifische Publikationen und fein abgestimmtes Marketing Wahrnehmung und Kaufverhalten prägten, aktuell aber sinkende Auflagenzahlen und das Einstellen einiger Titel auf einen Wandel hindeuten.

Tiergeister & Monster (bakemono) in der japanischen Populärkultur

Juliane Stein

Japans Gespenster und Spukgestalten sind populär! Gegenwärtig bedienen sich Manga-, Anime-, Film- und Videospiel-Produktionen immer wieder beim gestaltenreichen Grusel-Pandämonium und kommen damit bei jeder Altersgruppe gut an. Besonders die Gruppe der so genannten bakemono (zu Deutsch "Gestaltenwandler" oder "Wandelwesen") scheint die Macher und Autoren von Visio-Narrationen so sehr zu inspirieren, dass es immer wieder solche Werke in die Charts der Bestseller schaffen, die bakemono als Charaktere besitzen. Und diese können dann Zaubertiere (z.B. Tanuki und Kitsune) oder Monster (z.B. Mikoshi-nyūdo und Hitotsume-kozō) sein. Sie treten sowohl als Feinde wie auch als "Supporter", de facto unterstützende Nebencharaktere, auf und sorgen dann vor allem in letzterer Rolle für die so wichtige Situationskomik. Auf der anderen Seite besitzen sie aber auch eine fast überirdische Weisheit und jahrtausendaltes Wissen, mit welchem sie den (fast ausschließlich menschlichen) Helden klug beraten. Und selbstverständlich helfen sie auch der Merchandising-Maschinerie, die die (niedlichen) bakemono-Supporter als "character goods" vermarkten können.
"Tiergeister & Monster in der japanischen Populärkultur" versucht den Blick der Geister-Forschung von der Edo-Zeit mehr in Richtung Gegenwart zu lenken, die, durch veränderte Gesellschaftsstrukturen, neue sozio-ökonomische Probleme, internationale Vernetzung, erweiterte Formen und Möglichkeiten in den Erzähl-, Zeichen- und Animationstechniken, ganz ähnlich wie damals zur Edo-Zeit neuen Grund für eine revolutionierte, prosperierende Geisterkultur bietet. Es soll die Rolle/Funktion der bakemono innerhalb der gegenwärtigen Populärkulturen im Vergleich zu den alten Konzepten dieser Geisterwesen in Sagen, Mythen und kaidan untersucht werden.

Bilder der Zerbrechlichkeit. Über die Bedeutung von Schönheit, Verlust und Erinnerung im Anime-Film. Die Legende von Prinzessin Kaguya

Maria Grajdian

Seit seiner Gründung im Jahr 1985 verwandelte sich das Studio Ghibli in ein Symbol erfolgreicher japanischer Animationskunst sowohl in seiner ästhetischen Widerspiegelung der Wirklichkeit als auch in seiner ideologischen Auseinandersetzung mit aktuellen Themen (beispielsweise Umweltverschmutzung, soziale Diskriminierung, der Prozess des Erwachsenwerdens, das historische Verantwortungsbewusstsein, die Bedeutung und der Wert des Lebens, Liebe als komplexe emotionale Angelegenheit). Basierend auf langjähriger Feldforschung und Literaturrecherche fokussiert der vorliegende Vortrag auf einige der künstlerischen Strategien wie emotionale Ambivalenz, die dynamische Betrachtung von Legenden und Mythen, die sensible Infragestellung der Spiral-artigen Dialektik von Ursache und Effekt, die von Takahata Isao in seinem letzten Anime-Film Die Legende der Prinzessin Kaguya (Kaguya-hime no monogatari, 2013) angewandt wurden. Bei der gleichzeitigen Erwägung der ästhetisch-ideologischen Position von Studio Ghibli innerhalb Japans Bestrebungen im Soft Power-Bereich nimmt sich der vorliegende Vortrag vor, die komplexen Ebenen aufzuzeigen, die das Phänomen des "Selbst" als Medien-bezogene Konstruktion im unsteten Spannungsverhältnis zwischen individuellen Sehnsüchten und historisch-geographischen Zugehörigkeit erscheinen lassen. Bei eingehender Analyse wird es somit deutlich, dass das "Selbst" ein hoch-persönliches Anliegen jenseits der physischen Dimension mit klar-definierten Standards von "innen" und "außen" darstellt, das sich sowohl auf den sozio-kulturellen Kontext seiner Entstehung als auch auf die wirtschaftlich-politische Bahn seiner Entwicklung bezieht. In Zeiten der allmächtigen, allgegenwärtigen Cool Japan-Symptomatik löst die Wiederbelebung von lokalen Mythen und Legenden eine nostalgische Kehrtwende in Richtung eines klassisch orientierten Japan aus, mit der eher konservativen Botschaft, dass Liebe, Glück und existentielle Erfüllung nach wie vor Ergebnisse individueller Entscheidungen in der Spätmoderne bleiben.