Japan Zentrum
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Sektion Medien und Populärkultur -- Session 3

Zur Ästhetik des Schwarz-Weißen im Boys’ Love

Björn-Ole Kamm

Dieser Vortrag führt beispielhaft in die theoretische und methodologische Grundproblematik ein, die in dieser Session thematisiert wird. Boys’ Love (BL) und die unweigerlichen Fragen zur Sexualität der Leserschaft stellen ein notorisches Beispiel für wissenschaftliche "Standarderzählungen" dar: Allein die Titelwahl von Studien verweist häufig bereits auf einen Rahmen aus standardisiertem Repertoire und Ideenkanon, der uninspiriert mit eigener Forschung gefüllt wird. Statt Fragen nach dem Einfluss einer "singulären" Ordnung Japans auf die Darstellungen in BL-Manga zu stellen und zirkelförmig Rückschlüsse auf die (unterdrückte) Sexualität der Leserinnen zu ziehen, betrachtet dieser Vortrag das ästhetische Spiel mit Schwarz und Weiß auf der visuellen Ebene. Trotz des monochromen Drucks ist beispielsweise reines Schwarz selten. Häufig dient es wie reines Weiß als Mittel der Verhüllung von Körperteilen, -öffnungen und -bewegungen, um zu zeigen, was nicht gezeigt werden darf. Gerade in den Arbeiten Uchida Kaorus (Ame to Muchi, 2007; Muchū ni Nacchi Mae!, 2008) scheinen diese reinen Töne eine entscheidende agency zu haben (vgl. A. Mol/J. Law), den Blick zu lenken, durch die Verquickung aus schwarzem Haar und weißer Zensur Bewegung zu erzeugen. Ergänzt durch online- und offline-Gespräche mit den Leser/innen zeichnet dieser Vortrag diese ästhetische agency von Schwarz und Weiß nach.

Nijisôsaku und die Lust an der "endlosen Narration"

Oliver Kühne

In der Forschung zu Boys’ Love (BL) und gegenwärtigen BL-nijisôsaku wurde sich neben Gender- und Wirtschaftsaspekten bisher kaum mit gezeichneten nijisôsaku beschäftigt, in denen eben keine explizit pornographische oder erotische Darstellung von Sexualverkehr zwischen zwei männlichen Figuren gezeigt wird. Nach Lektüre der derzeitigen Forschung müsste man fragen: Wozu gibt es jene nijisôsaku überhaupt, wenn doch angeblich das visuelle und graphische Ausleben sexueller Begierden die Quintessenz jener „Heftchen“ ist?
Hierzu möchte ich zwei Denkanstöße und mögliche weiterführende Analysefolien an Beispielen von nijisôsaku zum seit 2005 laufenden Sengoku Basara-Franchise präsentieren. Zum einen könnte man nach Lacan argumentieren, dass sich in nijisôsaku ohne explizite Darstellungen die sexuelle Begierde zwischen den Figuren als ein Lacansches objet petit a beschreiben lässt, welches sich bei seiner Darstellung verflüchtigen würde. Auf der anderen Seite könnte man die Vielfalt an nicht-pornographischen nijisôsaku auch mit einer reinen Lust am Rhizom-artigen Erzählen (G. Deleuze/F. Guattari) erklären, welches den narrativen Raum einer Ursprungsnarration in vielfachen Verzweigungen weiterführt, um eine Art „never ending neverland“ zu erzeugen. Wäre dann nicht eben die unterschwellige Sehnsucht nach einem absoluten Höhepunkt der Narration (der so niemals eintreten kann) das verdrängte objet petit a eines Typs Prosumer/innen? Und würde uns diese Antwort nicht einen neuen Blickwinkel auf serielles Erzählen in Japan generell eröffnen?

Was uns nijisōsaku erzählen. Oder vielleicht auch nicht

Verena Maser

Nicht nur Liebe zwischen männlichen Figuren ist ein Thema von nijisōsaku. Spätestens seit Bishōjo senshi Sailor Moon Mitte der 1990er haben auch Werke über Liebe zwischen Mädchen ihre Macher/innen und Leser/innen gefunden. Wie für BL, so gilt auch hier: "Subversion" und "Perversion" tragen nur in wenigen Fällen zum besseren Verständnis dieser Werke bei.
In meinem Vortrag widme ich mich beispielhaft nijisôsaku zur Anime-Serie Mahô shōjo madoka magica (Regie: Shinbō Akiyuki; 2011) und frage offen: Welche Geschichten erzählen sie uns? Was können wir aus den Kommentaren ihrer Macher/innen lernen? Ich werde zeigen, dass es die zwischenmenschlichen Beziehungen im Originaltext sind, die die Fans faszinieren und an ihn binden. Eine von Fans geschaffene Liebesgeschichte zwischen zwei "magical girls" ist keine Subversion sexueller Realitäten, sondern Ausdruck der Begeisterung für diese Figuren und der Wünsche der Fans für diese. Insofern präsentiert sich uns eine mehrfache Verquickung von Trugbildern. Der zu Grunde liegende Anime präsentiert hinter der Fassade einer herkömmlichen "magical girl"-Geschichte die Suche nach dem Sinn des Lebens. Ebenso sind in den nijisōsaku Titelbild und Inhalt oft getrennt voneinander zu betrachten. Sexy Figuren auf dem Cover sind kein Indikator für sexuelle Inhalte – genau wie umgekehrt. Durch das Hinterfragen des "Offensichtlichen" ergeben sich neue Möglichkeiten des Verständnisses von Original und Derivaten.