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Sektion Politik -- Session 3: Wandel und Nicht-Wandel in der japanischen Außen- und Sicherheitspolitik

Das Ende des japanischen Pazifismus oder der Anfang einer neuen sicherheitspolitischen Rolle in Ostasien? Japans neue Rüstungsexportpolitik

Verena Blechinger-Talcott

Im April 2014 verkündete die japanische Regierung unter Premierminister Abe Shinzō neue Richtlinien für den Export von Waffen und militärischen Gütern, die das seit knapp 50 Jahren bestehende Verbot von Rüstungsexporten außer Kraft setzten. Im Jahr 1967 hatte das japanische Parlament die "Drei Prinzipien" beschlossen, die Rüstungsexporte in kommunistische Staaten, Staaten, die einem vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Waffenembargo unterliegen sowie in Staaten, die aktuell in militärische Konflikte verwickelt sind, untersagten. Ab Mitte der 1970er Jahre interpretierte die japanischen Regierung die drei Prinzipien als ein generelles Verbot von Rüstungsexporten, da dies dem Geist der Friedensverfassung und der friedliebenden Natur der japanischen Nachkriegspolitik am besten entspräche. Lediglich Waffenexporte in die USA sowie sog. "dual use", also zivil wie militärisch nutzbare Technologien waren von diesem Verbot ausgenommen. Die im April 2014 verkündete Richtlinie begründet ein neues Regime im Bereich japanischer Rüstungsexporte. Zwar sieht auch sie Rüstungsexporte nur an Bündnispartner und befreundete Staaten vor, die damit einverstanden sind, erworbene Rüstungsgüter und Technologien nicht ohne japanische Zustimmung an Drittstaaten weiterzuverkaufen. Dennoch eröffnet die neue Richtlinie der japanischen Industrie breitere Möglichkeiten, Waffen und militärische Güter sowie Technologien zu exportieren. Während die Regierung davon spricht, dass die mit den Exportmöglichkeiten einhergehenden Prüfprozesse höhere Transparenz in den Handel mit Militärtechnologie gewährleisten und Japan zudem die Möglichkeit eröffnen, gemeinsam mit seinen Bündnispartnern neue Waffensysteme im Kontext multilateraler Sicherheitsanstrengungen zu entwickeln, interpretieren sie Kritiker wie auch asiatische Nachbarstaaten als Abkehr Japans von einer pazifistischen Außenpolitik sowie als (weiteres) Zeichen für einen neu erwachten japanischen Militarismus.
Der Vortrag setzt an diesem Punkt an und fragt nach den Hintergründen für die Entwicklung der neuen Richtlinie für Rüstungsexporte, deren Genese weit vor Abes Amtsantritt als Premierminister zurückliegt und stellt sie in den Kontext der Debatten um eine Neuorientierung in der japanischen Sicherheitspolitik. Gleichzeitig wirft er ein Schlaglicht auf die in der Forschungsliteratur bislang wenig beleuchteten institutionellen Beziehungen zwischen Wirtschaft und Militär in Japan. Welche Auswirkungen haben die neuen Richtlinien auf die japanische industrielle Produktion von Militärgütern? Welche Implikationen auf die Grundorientierung der japanischen Außenpolitik lassen sich erkennen? Wie passt sich die neue Praxis in das Gesamtkonzept von Abe Shinzōs Sicherheitspolitik ein? Findet eine radikale Abkehr von der bisherigen Sicherheitspolitik statt oder ist die neue Richtlinie ein weiteres Zeichen von "Normalisierung"?

Die neue sicherheitspolitische Ausrichtung der japanischen ODA

Raymond Yamamoto

Inmitten der Territorialkonflikte zwischen China und den Südostasiatischen Länder im Südchinesischen Meer, ermöglichte Japan seit 2001 einer Reihe von Staaten (Indonesien, Malaysia, Philippinen und Vietnam) mithilfe seiner staatlichen Entwicklungshilfe (Official Development Assistance, ODA) den Erwerb von Patrouillenbooten. Dies steht im absoluten Gegensatz zur japanischen ODA-Charter, die die Nutzung der Entwicklungshilfe für militärische Angelegenheiten strikt verbietet. Die Vergabe der ODA beschränkt sich längst nicht mehr darauf, die Region durch den wirtschaftlichen Beistand zu stabilisieren. Vor allem bei der Sicherung seiner zentralen Versorgungsrouten (Sea lines of communication, SLOC) wird Japan zunehmend aktiver, indem es durch seine ODA die maritimen Handlungsfähigkeiten seiner Nachbarländer ausbaut (capacity building). Nach einer kurzen Regierungsunterbrechung durch die DPJ (Democratic Party of Japan), scheint die LDP (Liberal Democratic Party) weiter an ihrer Strategie festzuhalten. Während die japanischen Selbstverteidigungskräfte (Self-Defense Force, SDF) auf Grund der Verfassung nahezu handlungsunfähig bleibt, baut Japan mit der Entwicklungszusammenarbeitsorganisation JICA (Japan International Cooperation Agency) und seiner Küstenwache (Japan Coast Guard, JCG) kontinuierlich an einem regionalen Sicherheitsnetzwerk, um den reibungslosen Transport von Rohstoffen und Gütern zu garantieren. Zweifelsohne stellt dies für Japan gleichzeitig eine geeignete Gegenmaßnahme zu den zunehmenden Territorialansprüchen Chinas im Südchinesischen Meer dar. Für die japanische ODA, die lange Zeit den Fokus allein auf die wirtschaftlichen Aspekte legte, ist diese direkte sicherheitspolitische Nutzung eine neue Ausrichtung seiner Entwicklungshilfe. In diesem Vortrag soll die Frage beantwortet werden, warum und wie es zu einer solch gravierenden Änderung gekommen ist. Es sollen dabei externe und interne Faktoren der japanischen Außenpolitik beleuchtet werden. Letztlich soll gezeigt werden, dass sowohl Änderungen im internationalen System als auch in der Innenpolitik notwendige Voraussetzungen für diesen Richtungswechsel gewesen sind.

Japans Sicherheitspolitik vor neuen Herausforderungen. Wandel im legislativen-exekutiven Entscheidungsgefüge?

Alexandra Sakaki und Kerstin Lukner

Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich Japans Sicherheitsumfeld stetig verschlechtert. Einerseits erscheint Nordkorea als unberechenbarer Nachbar, der an dem Ausbau seines Nuklearwaffenprograms und seiner Raketentechnologien arbeitet. Andererseits sieht sich Japan mit einem aufstrebenden China konfrontiert, das immer größere Summen in seinen (intransparenten) Verteidigungshaushalt fließen lässt und seine Interessen mit wachsendem Selbstbewusstsein außenpolitisch vertritt. Angesichts dieser Entwicklung wollen wir am Beispiel Japans die Hypothese testen, nach der sich bei zunehmender Bedrohungsperzeption die Entscheidungsgewalt in einem politischen System zugunsten der Exekutive verschiebt. Dabei werden wir zunächst auf die politisch-administrativen Reformen der letzen zwei Dekaden und ihren Auswirkung auf die Kompetenzverteilung im Machtgefüge zwischen dem Parlament und dem Premierminister/Kabinett eingehen. Anschließend untersuchen wir den Wandel im legislativen-exekutiven Entscheidungsgefüge anhand zweier konkreter Fallstudien aus dem Bereich der Sicherheitspolitik: den Auslandseinsätzen der Selbstverteidigungsstreitkräfte sowie den Bestimmungen zu Waffenexporten. Unsere vorläufigen Untersuchungsergebnisse deuten zwar nicht darauf hin, dass sich die politische Macht in Japan zugunsten der Exekutive verschoben hat, wohl aber darauf, dass der Premierminister und sein Kabinett nun eine schnellere Entscheidungsfindung forcieren können.