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Sektion Recht -- Session 1: Aufriss und historische Perspektive

Subjektive Rechte in Japan. Politische Einforderung, gesetzgeberische Gewährung, prozessuale Durchsetzung. Ein Problemaufriss

Moritz Bälz

Ein wiederkehrender Topos in der Auseinandersetzung mit dem japanischen Recht und seinen Eigenheiten ist die Frage, ob Recht in Japan in ähnlicher Weise wie in den Rechtsordnungen Kontinentaleuropas und des Common Law als Durchsetzung subjektiver Rechte begriffen und gelebt wird. Die Sektion Recht soll der Frage nachgehen, inwieweit eine schwächer verwurzelte Vorstellung von subjektiven Rechten tatsächlich als ein Charakteristikum des japanischen Rechts gelten kann.
Historisch, so ist argumentiert worden, sei Recht im vormodernen Japan primär Verwaltungs- und Strafrecht (ritsuryō), während die römisch-kontinentaleuropäische Tradition stärker die individuellen Ansprüche zwischen Privaten betone. Der heute übliche japanische Begriff des subjektiven Rechts (kenri) sei nicht ohne Grund erst im Zuge des westlichen Einflusses gebräuchlich geworden. Kaum bestreiten lässt sich, dass in einigen Rechtsgebieten, beispielsweise im Verbraucherschutzrecht, der Schutz des Einzelnen stärker als etwa in Deutschland durch Verwaltungsrecht statt durch Normierung durchsetzbarer privater Ansprüche gewährleistet wird. Im Rahmen der Verfassung, die bekanntlich stark US-amerikanisch beeinflusst ist, werden als individuelle Schutz- und Leistungsansprüche formulierte Artikel oft als bloße Programmsätze ausgelegt. Lange schon diskutiert wird, inwieweit die bis heute auffallend geringe Prozessdichte in Japan (auch) auf ein besonderes Rechtsbewusstsein zurückzuführen ist.
Andererseits finden sich auch in Japan zahlreiche Beispiele für eine energische Verfolgung individueller Ansprüche, und zwar durchaus schon in der Vormoderne. Vieles deutet darauf hin, dass die geringe Inanspruchnahme der Gerichte in der Vergangenheit primär institutionellen Hürden und weniger kulturellen Prädispositionen geschuldet ist. Beispielsweise verteidigen japanische Unternehmen ihre Patente inzwischen auch aggressiv durch Gerichtsprozesse. In kaum einem Land werden heute mehr Aktionärsklagen erhoben als in Japan. Die umfassende Justizreform in der letzten Dekade zielte maßgeblich darauf, die Durchsetzung individueller Rechte zu erleichtern. Gleichzeitig werden neue Rechte postuliert, ausländischen Rechtsordnungen entlehnt oder aus internationalen Konventionen übernommen. Auch soweit die schwach ausgeprägte Vorstellung subjektiver Rechte in der Vergangenheit mehr war als eine Konstruktion, sind dies Anzeichen eines Wandels im japanischen Verständnis von Recht mit möglicherweise weitreichenden Folgen.
Das Eröffnungsreferat zielt darauf, diese übergeordnete Frage der Sektion zu entfalten. Vorgeschlagen wird, drei Ebenen zu unterscheiden: die politische Artikulierung von Interessen in Form individueller Ansprüche, die gesetzgeberische Verankerung subjektiver Rechte und die Etablierung von Institutionen der Rechtsdurchsetzung.

Markenschutz in der japanischen und ostasiatischen Geschichte um die Jahrhundertwende

Harald Fuess

Im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten sich weltweit Handelsmarken zum Schutz von internationalen Konsumgütern. Die Anerkennung solcher Rechtsprinzipien und ihre gerichtliche Umsetzung dauerte in Japan etwa ein halbes Jahrhundert. Dieser Vortrag zeigt die Bedeutung von internationalen Handelshäusern und ausländischen Diplomaten in der Entwicklung von "Schutzmarken" in Japan, deren rechtliche und praktische Ausgestaltung auch durch den japanischen imperialen Wettbewerb in China und Korea beeinflusst wurde. Als Ergebnis verwandelte sich die Rechtsprechung zum wirtschaftlichen Schutz von Handelsmarken drastisch von ziemlicher Indifferenz zu hohen Gefängnisstrafen.

Translation subjektiver Rechte und die Bewegung für Freiheit und Bürgerrechte  (Jiyū minken undō)

Hiroki Kawamura

Die Rezeption und Adaption kontinentaleuropäischen Rechts im Japan der Meiji-Zeit ist vielfach beschrieben worden. Dieser Vortrag versucht die den Kulturwissenschaften entlehnte Theorie der Translation nutzbar zu machen, um diesen Prozess neu zu deuten. "Translation" soll dabei zum Ausdruck bringen, dass es sich bei der Aneignung fremder Konzepte um einen — nicht nur sprachlichen — Übersetzungsprozess handelt.
Der Ansatz wird hier angewandt auf die Bewegung für Freiheit und Bürgerrecht (Jiyū minken undō) von 1874 bis 1893, eine politische Bewegung breiter sozialer Schichten, die in Opposition zur 1869 entstandenen Meiji-Regierung stand. Die Bewegung ist von großer Bedeutung für die Translation zentraler Begriffe wie dem der "Menschenrechte", der mit Hilfe des konfuzianischen Begriffs für "die vom Himmel verliehenen Menschenrechte" (tempu jinken) übersetzt wurde. Damit trug sie wesentlich dazu bei, dass der Gedanke des subjektiven Rechts in Japan in einer Zeit gestärkt wurde, in der die Klagehäufigkeit verglichen auch mit heute bemerkenswert groß war.
Der Prozess der Translation fand seinen Niederschlag in gesetzgeberischen Meilensteinen wie der Meiji-Verfassung von 1889 und der Kodifikation des sog. alten Zivilgesetzes (Kyū-minpō von 1890). Die Bewegung versuchte, wenn auch mit begrenztem Erfolg, sich an diesem Aufbau einer modernen Rechtsordnung zu beteiligen etwa durch private Entwürfe für eine Verfassung. Großen Einfluss hatten bei dem betrachteten Prozess der Aneignung auch übersetzte Abhandlungen westlicher Autoren wie J.S. Mill, Montesquieu und Bentham aber auch die Lehrmaterialien ausländischer Berater in japanischen Rechtsschulen, wie diejenigen Boissonades zum Naturrecht.