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Sektion Recht -- Session 2: Allgemeines Zivilrecht

Die Rolle des öffentlichen Rechts im Vertragsrecht bei der Wahrung der Interessen von Verbrauchern und anderen schutzbedürftigen Vertragspartnern

Marc Dernauer

Die Wahrung der Interessen der Vertragspartner kann im Wesentlichen durch Bereitstellung geeigneter zivilrechtlicher Instrumente erfolgen, muss sich aber nicht darauf beschränken. Wie in anderen Bereichen auch, kann ein Rechtssystem neben oder anstelle von zivilrechtlichen Instrumenten, die meist auch individuell durchsetzbare Rechtspositionen umfassen, öffentlich-rechtliche Schutzinstrumente vorsehen. Als solche kommen insbesondere verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Schutzinstrumente in Betracht. Hierbei ist einerseits an konkrete öffentlich-rechtliche Normen zu denken, die den Schutz individueller Interessen bezwecken, und andererseits an Mechanismen zur verfahrensrechtlichen Durchsetzung dieser Interessen. Im Falle von verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Instrumenten kommt einerseits, wie im Zivilrecht auch, den Gerichten eine bedeutende Rolle bei der Wahrung der Interessen zu. Darüber hinaus ist aber auch die Organisation und Arbeit der zuständigen Verwaltungsbehörden und Staatsanwaltschaft von großer Bedeutung.
Im japanischen Recht ist auffallend, dass zum Schutz von Vertragspartnern neben zahlreichen zivilrechtlichen Regelungen überdies eine große Anzahl von öffentlich-rechtlichen Regelungen existieren. Der Begriff Vertragsrecht, der von Juristen hierzulande meist als privatrechtliche Materie angesehen wird, ist im japanischen Recht somit von vorneherein weiter zu verstehen. Neben dem privatrechtlichen Vertragsrecht gibt es somit auch so etwas wie ein öffentlich-rechtliches Vertragsrecht. Entsprechend sind auch die Verwaltungsbehörden und Staatsanwaltschaften stärker in die Bewältigung vertragsrechtlicher Probleme eingebunden als in einem Rechtssystem, das — wie das deutsche Rechtssystem — für die Bewältigung derartiger Probleme in erster Linie das Zivil- und Handelsrecht bereitstellt. Das Referat wird den bestehenden privatrechtlichen Regelungen zum Schutz von Vertragspartnern die materiell-rechtlichen öffentlich-rechtlichen Regelungen gegenüberstellen und auch die begleitenden Verfahrensfragen erörtern. Auf der Grundlage dieses Befundes wird im Referat der Frage nachgegangen, ob subjektive, privatrechtliche Instrumente im japanischen Recht eine geringere Bedeutung haben als etwa in der deutschen oder in anderen mittel- oder westeuropäischen Rechtsordnungen und ob dies auf ein spezifisch japanisches Rechtsbewusstsein schließen lässt.

Aggressive Rechtsdurchsetzung in Japan. Die illegale Eintreibung und legale Rückforderung wucherischer Darlehenszinsen

Julius F.W. Weitzdörfer

In der Konsumgesellschaft Japans sind Darlehen der im Alltag vielleicht lebendigste Gegenstand des Rechts: Sie umfassen den Hauptteil der Verfahren an erstinstanzlichen Gerichten. Die legale und illegale Durchsetzung von Darlehensforderungen nimmt einen besonders umsatzstarken Bereich des Inkassowesens ein, der bislang kaum wissenschaftliche Aufmerksamkeit erlangt hat.
Einerseits stellt die illegale Eintreibung wucherischer Darlehen unter Einsatz von Drohungen und Gewalt ein traditionelles Geschäftsfeld der organisierten Kriminalität in Japan dar. Diese Paralleljustiz für Darlehensgeber war lange wichtiges Element des durch Schlagwörter wie sarakin und yamikin‘yū berüchtigten Verbraucherkreditmarkts. Andererseits fordern heute durch Reformen in ihren Rechten gestärkte Darlehensnehmer u.a mit einer Lawine von Klagen vor Gericht überzahlte Zinsen zurück.
Im Rahmen dieses Vortrags wird versucht, insbesondere auf die Rechtstatsachen des Darlehensinkassos institutionentheoretisch, kriminalstatistisch und soziologisch einzugehen, seine Erscheinungsformen (toritate-ya, shakkin-tori) zu beleuchten und schließlich rechtspolitisch zu bewerten. Die Existenz solch energischer Formen der Durchsetzung subjektiver "Rechte" ist nicht nur außerordentlich aufschlussreich für das Verständnis gelebten Rechts in Japan. Sie stellt überdies tradierte Interpretationen einer von Harmoniebedürfnis, Konfliktvermeidung und niedriger Kriminalität geprägten Rechtskultur Japans infrage.

Von Gummi-Enten und Atomkraftwerken. Individuelle Ansprüche aus Gefährdungshaftung

Christian Förster

Die Kehrseite der modernen technischen Entwicklung sind die zahlreichen und häufig nicht unerheblichen Gefahren für Mensch und Umwelt, die mit ihr einhergehen. Sei es der Eisenbahn-, Straßen- oder Luftverkehr, seien es Maschinen oder Medikamente oder sei es die Energieerzeugung mit Atomkraft — all ihr Nutzen kommt nicht ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Folglich ist jeder dieser Bereiche auch in Japan eingehend rechtlich geregelt. Dabei geht es zum einen um Erfordernisse, die einen Betrieb eines Zuges oder das Inverkehrbringen eines Arzneimittels überhaupt erst erlauben. Zum anderen geht es jedoch auch um die Haftung, die dem jeweils Verantwortlichen für sein zwar gesetzlich zulässiges, aber unverändert gefährliches Tun auferlegt wird. Man bezeichnet diese Haftung daher naheliegend als "Gefährdungshaftung", die kein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) voraussetzt, sondern allein an dem für Dritte möglicherweise nachteilhaften Betrieb etc. anknüpft. Im Rahmen des Vortrags wird nun untersucht, ob und inwiefern diese Haftung sektorübergreifend eher als Korrektiv zur staatlichen Kontrolle dient, oder ob nicht doch subjektive Rechte der unmittelbar Geschädigten in Form individueller Schadensersatzansprüche im Vordergrund stehen.