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Sektion Recht -- Session 3: Spezielle Rechtsgebiete

Shareholder Value und die Durchsetzung von Aktionärsrechten in Japan

Harald Baum

Die Manager japanischer Aktiengesellschaften haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten stille Reserven aufgebaut, deren Höhe kumuliert dem aktuellen jährlichen Staatshaushalt Japans entspricht. Weder investieren sie dieses Geld gewinnbringend noch schütten sie es an die Aktionäre in Form attraktiver Dividenden oder Rückkäufen von Aktien aus. Die Verwaltungsräte dominieren Unternehmensinsider, die kaum Kontrolle ausüben, unabhängige Mitglieder (independent directors) sind dort nach wie vor die Ausnahme. Einen corporate governance-Kodex gibt es überhaupt erst seit dem 1. Juni 2015. Die Eigenkapitalproduktivität ist im internationalem Vergleich entsprechend gering, shareholder value spielt in der japanischen Unternehmenspraxis bestenfalls eine nachrangige Rolle. Besonders deutlich zeigt dies ein Blick auf den nach wie vor moribunden "Markt für Unternehmenskontrolle", einem der wichtigsten Instrumente externer corporate governance: Feindliche Übernahmen börsennotierter Unter-nehmen, vermittels derer andernorts die gehorteten Reserven längst gehoben worden wären, scheitern in Japan mit erstaunlicher Regelmäßigkeit.
So verwundert es nur auf den ersten Blick, dass der japanische Ministerpräsident die von der dortigen Industrie geächteten amerikanischen Hedgefondsmanager empfängt, um deren Rat ein-zuholen, wie sich die japanischen Unternehmen zu einem Strategiewechsel bewegen lassen könnten. Die institutionelle Absicherung von Aktionärsinteressen ist augenscheinlich schwach, die gesetzlichen Regelungen zur Durchsetzung selbiger sind dies jedoch paradoxer Weise nicht.
Aktionären japanischer Gesellschaften, die durch Beschlüsse der Hauptversammlung oder Hand-lungen der Verwaltung in ihren Rechten verletzt werden oder mit diesen nicht einverstanden sind, stehen verschiedene Rechtsbehelfe zur Verfügung. Drei unterschiedliche rechtliche Instrumente spielen in der in der Praxis eine Rolle. Als erstes ist das Recht der Aktionäre auf eine Abfindung, d.h. auf einen Rückkauf ihrer Aktien bei Strukturveränderungen zu nennen, mit denen diese nicht einverstanden sind (appraisal right). Dabei handelt es sich um einen Rechtsimport aus den USA. Das zweite sind Rechtsbehelfe gegen Beschlussmängel zu, die in der deutschen Tradition der konzeptionellen Trennung zwischen anfechtbaren und nichtigen Hauptversammlungsbeschlüssen stehen. Drittens kann ein Aktionär die Interessen der Gesellschaft im eigenen Namen aber für deren Rechnung gegenüber Mitgliedern der Verwaltung geltend machen. Ihm steht dafür die Aktionärsklage (derivative suit), wiederum ein legal transplant aus den USA, zur Verfügung. Sie erfreut sich seit 20 Jahren in Japan großer Beliebtheit und mag helfen, Verfehlungen der Verwaltungen vermittels ihrer abschreckenden Wirkung vorzubeugen. Zur Rückführung stiller Reserven an die Aktionäre als den Unternehmenseignern taugt sie indes ebenso wenig wie Abfindungs- oder Anfechtungsrechte.

Cause lawyering in Japan. Kampf um Arbeitnehmerrechte für temporäre Arbeitsmigranten

Daniel Kremers

Interessenvertretung von und für MigrantInnen in Japan wurde bisher vor allem unter folgenden Aspekten wissenschaftlich bearbeitet: Integrationshilfe auf der lokalen Ebene, Nothilfe durch NGOs und Selbstorganisation in Gewerkschaften (Komai 1993; Roberts 2000). Auch Rechtsbeistand durch Anwälte und ihre Organisationen wurden in der Literatur erwähnt (Herbert 1993; Komai 1993). Diese wurde aber bisher nicht unter dem Aspekt des cause lawyering untersucht. Als cause lawyering bezeichne ich die politische Aktivität von Juristen, bei der eine Sache nicht nur auf dem Rechtsweg, sondern auch durch Interessenvertretung in öffentlichen Aushandlungsprozessen bearbeitet wird (Sarat & Scheingold 2001; Boukalas 2013). Cause lawyering ist damit eine Spielart der themenanwaltschaftlichen Interessenvertretung (advocacy) bei der der Rechtsstreit ein zentrales Mittel der Politik ist. Der Zweck ist dabei nicht bloß der Schutz von Einzelinteressen, bzw. subjektiver Rechter sondern der Kampf um die Veränderung des objektiven Rechtes.
Als Beispiel dient ein 2007 gegründetes Netzwerk von Anwälten Namens Lawyers Network for Foreign Trainees (Kenbenren). Einerseits vertreten dessen Mitglieder temporäre Arbeitsmigranten vor Gericht und fordern die für sie in Japan bestehenden Rechte als Arbeitende ein, anderseits arbeiten sie in Kooperationen mit anderen Interessenorganisationen auf eine rechtliche Besserstellung von Migranten in Japan hin.
Obwohl sich die Japan Federation of Bar Associations (JFBA) bereits 2004 mit umfassenden Politikvorschlägen in die zweite Zuwanderungsdiskussion einmischte, entstand mit dem Kenbenren erst sehr spät eine themenanwaltschaftliche Organisation, die sich auf die Belange von temporären Migranten innerhalb des so genannten Trainings- und Praktikumsprogramms spezialisierte.
Dabei stehen sie jedoch den Interessen von Arbeitgebern entgegen, sowohl vor Gericht also auch in der Auseinandersetzung mit den politischen Entscheidungsträgern auf ministerialer und parlamentarischer Ebene. In Form der gemeinnützigen Stiftung Japan International Training Cooperation Organization (JITCO) ist das Programm als öffentlich-private Partnerschaft institutionalisiert, was seine Abschaffung zusätzlich erschwert.
Internationale Aufmerksamkeit wurde Kenbenren zu Teil als im Jahr 2010 der Anwalt Shōichi Ibusuki die Hinterbliebenen eines jungen chinesischen Migranten vertrat, der im Jahr 2008 an einem Hirnschlag gestorben war. In diesem Fall hatte ein Gericht zum ersten Mal den Tod eines Praktikanten als karōshi — Tod durch Überarbeitung — anerkannt. Im Jahr 2009 richtete Kenbenren einen offenen Brief an die Regierung sowie die fünf für das Praktikumsprogramm zuständigen Minister, worin die Anwälte Arbeitnehmerrechte für Trainees und eine Abschaffung des Programms unter der Aufsicht von KMU-Vereinigungen forderten.
Am Beispiel von Kenbenren und der darin aktiven Anwälte lässt sich zeigen, wie Rechtsbeistand in cause lawyering überging. Die Mitglieder von Kenbenren wollen nicht nur auf dem Rechtsweg die Interessen ihrer Klienten schützen, sondern zu einer makropolitischen Verbesserung der sozialen Gruppe, der ihre Klienten angehören, beitragen.

Subjektive Rechte auch für Tiere? Zur Entwicklung des Tierschutzes in Japan

Kazushige Doi

Als abschließender Beitrag zur Sektion Recht beschäftigt sich dieser Vortrag mit einer neuen Dimension des Diskurses um subjektive Rechte: Tierrechte.
In Bezug auf subjektive Rechte wird herkömmlich davon ausgegangen, dass deren Subjekt eine juristische oder natürliche Person, im zweiten Fall mithin ein "Mensch" ist. Gleichsam als Extremfall stehen "Menschrechte" jedem Menschen kraft seines Menschseins zu. In der jüngeren Geschichte hat die Universalität der Menschenrechte eine Triebkraft zur Befreiung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion etc. entfaltet. Diese Errungenschaften des abendländischen Denkens haben jedoch zusätzlich auch den Befürwortern eines verstärkten Schutzes von Tieren eine neue Perspektive eröffnet: Sollten nunmehr auch Tieren (zumindest bestimmten) eigene Rechte zugestanden werden, wenn wissenschaftlich zunehmend Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Tier erwiesen werden? Sollten die Grenzen, innerhalb derer Tiere als Nutz-, Haus- oder Versuchstiere den Interessen des Menschen dienen, nicht nur mit Rücksicht auf die Leidensfähigkeit von Tieren bestimmt werden, sondern mit Blick auf eigene (ggf. durch Stellvertreter wahrzunehmende) Rechtspositionen von Tieren?
Die internationalen Strömungen hin zu einem verstärkten Tierschutz erlangen auch in Japan öffentliche Aufmerksamkeit, auch wenn die kontinuierlichen Reformen des japanischen Tierschutzrechts seit dem Jahre 1999 von einem klassischen Tierschutzgedanken, nicht von einem Tierrechtsansatz geprägt gewesen sind.
Dieser Vortrag soll zunächst den Inhalt des Gesetzes und den aktuellen Stand des Diskurses über Tierschutz und Tierrechte in Japan erklären. Er setzt sich anschließend mit der weitergehenden Frage auseinander, inwieweit es im japanischen Tierschutzdiskurs Ansätze für die Anerkennung von Tieren als Rechtssubjekten gibt. Diese Untersuchung soll Charakteristika des japanischen Rechts vor allem hinsichtlich der Akteure der Rechtsdurchsetzung aufzeigen.