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Sektion Religion -- Session 2

Imagination des realen Raums. Sakrale Geographie des Kōyasan in mittelalterlichen buddhistischen Manuskripten

Heidi Buck-Albulet

2015 ist ein bedeutendes Jubiläumsjahr eines heiligen Ortes: Auf dem Berg Kōya wird der Gründung des Tempelkomplexes vor 1200 Jahren gedacht. Narrative über Anfänge und Geschichte bilden einen festen Bestandteil zahlreicher Manuskripte, die auf, um und über den Berg Kōya verfasst, kompiliert und kopiert wurden und sich als Niederschrift ursprünglich mündlich tradierter Lehren verstanden.
Das Manuskript Kōyasan hiki ("Geheime Aufzeichnungen über den Berg Kōya") aus dem Jahr 1345 besteht aus ca. 36 Texteinheiten, von denen sich die größere Hälfte mit topographischen Gegeben-heiten und konkreten Orten, die kleinere Hälfte mit der Biographie Kūkais befasst. Im Vortrag stelle ich Textstellen aus beiden Bereichen vor, in denen mittels religiöser, d.h. buddhistischer Symbole und Konzepte sakrale Räume des Berges Kōya beschrieben, vermessen, interpretiert und eingegrenzt werden. An diesen Beispielen sollen zunächst die diskursiven und textuellen Strategien der Sakralisierung erschlossen werden, gefolgt von Überlegungen, in welche sozialen, ökonomischen und rhetorischen Hintergründe die Textinhalte — und auch das Manuskript selbst — einzuordnen sind.
Angesichts der in jüngster Zeit wieder vermehrt in das Erkenntnisinteresse der Forschung gerückten Rolle der Imagination bzw. des "Imaginären" in Literatur, Religion und Geographie wird der Fokus schließlich auf der Frage liegen, welche mentalen Akte im konkreten Fall an der Konstituierung sakraler Räume zusammenwirken und wie das Kōyasan hiki im intertextuellen, intermedialen und im außertextlichen Bezug zu verorten ist. Sakrale Geographie des Kōyasan ist, so die These, nicht nur Imagination im Sinne von Illusion, Einbildung oder Virtualität, sondern die "Imagination des Realen", d.h. die Imagination des realen Raumes, welche die sinnliche Erfahrung mit einbezieht.

Drachensee und Schlangenhügel. Zur Konzeption und Symbolik von Räumen im Shintōshū

Sebastian Balmes

Die Ursprungsberichte (engi 縁起) des Shintōshū 神道集 ("Sammlung göttlichen Wirkens", 1354-58) erzählen von der Entstehung lokaler Gottheiten, die meist den Namen eines Ortes tragen. Wie auch das Wort yashiro 社 sowohl Gottheiten als auch die Stätten ihrer Verehrung bezeichnen kann, so bilden transzendentale Instanz und Ort eine Einheit. Die Legenden beschreiben eine teleologische Entwicklung, in der aus der Existenz eines Buddhas oder Bodhisattvas durch das Durchlaufen eines menschlichen Lebens sowie einer Zwischenstufe als (Rache-)Geist eine Gottheit entsteht. Diese multiplen Transformationsprozesse erschweren eine binäre Unterscheidung von profanem und sakralem Raum.
Während in manchen Geschichten zu einem bestimmten Ort dieser als Schauplatz für den gesamten Prozess dient, werden in anderen die einzelnen Entwicklungsstadien durch verschiedene Räume repräsentiert. So steht die teleologische Geografie letzterer im Gegensatz zur räumlichen Ambivalenz solcher Erzählungen, die keine klare topologische Symbolik aufweisen. Im Vortrag soll anhand von Beispielen aus dem Shintōshū gezeigt werden, welcher Zusammenhang zwischen der Repräsentation von Räumen und der vordergründigen Funktion der jeweiligen Erzählung besteht.

Architektur und Autorität in mittelalterlichen Zen-Klöstern

Steffen Döll

Die Überlieferung des chinesischen Chan nach Japan vollzog sich — wie uns die Hagiographien etwa von Dōgen 道元 (1200–1253) und Eisai 栄西 (1141–1215) vor Augen führen — durch die Chinareisenden des japanischen Mittelalters; mehr aber vielleicht noch durch die chinesischen Emigrantenönche, die die japanischen Inseln zwischen 1249 und dem frühen 14. Jahrhundert erreichten. Sie waren es, die auf Jahrzehnte hinaus als Äbte den neu erbauten (Kenchō-ji 建長寺) oder soeben umgewidmeten Tempeln (Kennin-ji 建仁寺) vorstanden und so die eigentliche Institutionalisierung des Zen maßgeblich beeinflussten. Die Autorität, die Persönlichkeiten wie Lanqi Daolong 蘭渓道隆 (j. Rankei Dōryū, 1213–1278), Wuxue Zuyuan 無学祖元 (Mugaku Sogen, 1226–1286) oder Yishan Yining 一山一寧 (Issan Ichinei, 1247–1317) zugesprochen wurde, fand auch architektonischen Niederschlag im Konzept der Klosterkomplexe in sieben Hallen (shichidō garan 七堂伽藍). Naturalistische Körpermetaphern gaben der Klosteranlage eine verbindliche Struktur, implizierten darüber hinaus aber auch, indem sie die Gemächer des Abtes dem Kopf eines menschlichen Organismus’ gleichsetzten, eine Verräumlichung jener absoluten Position, in welche die Erwachensrhetorik des Chan / Zen den Meister als unmittelbaren Nachfolger des Buddha zu entrücken trachtet.
Der vorliegende Beitrag zum Thema "Heilige Orte und sakraler Raum in den Religionen Japans" der Sektion Religion auf dem Japanologentag 2015 schlägt auf der Grundlage solcher Beobachtungen vor, die Institution und Ideologie des frühen japanischen Zen-Buddhismus unter einem topologischen Blickwinkel zu betrachten. Dabei wird zu zeigen sein, wie Konzepte aus abstrakten Wissenssytemen — etwa der institutionellen Hierarchie oder der Dogmatik — in Architektur und räumlicher Struktur umgesetzt werden.