Japan Zentrum
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Sektion Theater -- Session 1

Terayama Shūjis Tausendundeine Nacht. Shinjuku-Ausgabe. Die urbane Stadt als Aushandlungsort nachkriegszeitlicher Lebensentwürfe im Nexus von Globalität und Indigenität

Carolin Fleischer

Das von Terayama Shūji (1935-1983) mit dem Theatertext Tausendundeine Nacht: Shinjuku-Ausgabe (Sen’ichiya monogatari: Shinjuku-ban; 1968) entworfene dramatische Tableau von Shinjuku ist als Pars pro Toto sowohl für Tokyo als auch für die urbane Stadt an sich zu lesen. In meinem Vortrag argumentiere ich, dass dieses Shinjuku-Tableau zugleich zur internationalen contact zone und zum mit gegenwärtigen Sehnsüchten und Projektionen aufgeladenen indigen-entschleunigten Raum kulminiert. Anhand von morphologisch-funktionalen sowie inter- und transmedialen Charakteristika werde ich aufzeigen, wie Terayama es zum Ort der kritischen Aushandlung von Lebensentwürfen und sozio-kulturellen Entwicklungen im durch Wachstums-, Fortschritts- und Globalisierungsnarrative dominerten Japan der Nachkriegszeit werden lässt.

Vom Protest zur Resignation. Eine Wende der japanischen Theaterszene nach „Fukushima“?

Lisa Mundt

Auf die sogenannte Dreifachkatastrophe vom 11. März 2011 hatte die japanische Theaterszene zunächst sehr schnell reagiert. Schon im Frühjahr 2011 lagen einige atomkritische Arbeiten vor, die auch international auf große Resonanz stießen — nicht zuletzt aufgrund ihrer eindringlichen Darstellung der verwaisten Landschaften und verwüsteten Städte in den Katastrophengebieten. In Tōkyō ansässige Gruppen zeigten sich solidarisch, sammelten Spenden und organisierten in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Art Revival Connection Tōhoku (ARC>T) Gastspiele in den Katastrophengebieten. Kritiker und Theaterschaffende äußerten sich gleichermaßen über "Fukushima" als Zäsur und forderten eine Debatte über die gesellschaftliche Verantwortung des Künstlers.
Doch schon ein Jahr nach der Katastrophe waren vermehrt Äußerungen von Resignation und Ernüchterung über den Gang der Ereignisse nach "Fukushima" zu vernehmen, und die anfängliche Empörung schien einem Gefühl der Ratlosigkeit zu weichen.
Von dieser Prämisse einer inhaltlichen Wende des künstlerischen "Fukushima"-Diskurses ausgehend, diskutiert der Vortrag Möglichkeiten und Grenzen subversiven Theatermachens im gegenwärtigen soziopolitischen Umfeld. Damit schließt er an das Dissertationsprojekt der Vortragenden und an die aktuelle Fukushima-Forschung der Japanologie Frankfurt an.

Eine Relativierung der Kosmologie des Begriffs shizen („Natur“) in der Zeami-Forschung. Zur Relevanz moderner Übersetzungen für die Erforschung vormoderner Literatur

Hanna McGaughey

In der vormodernen japanischen Sprache ist shizen kein Nomen sondern ein Quasi-Adjektiv der gleichen Form wie hitsuzen („notwendig“) oder gūzen („zufällig“), oder ein Adverb in der Form shizen ni/shizen to. Als solches beschreibt es eine Welt, in der das individuelle, begrenzte Handeln in ewige und endlose natürliche Bewegungen eingeschlossen ist. In der Meiji-Zeit wird der Begriff shizen nominalisiert und zur japanischen Übersetzung von "Natur". So verbinden Übersetzer die verschieden geprägten Weltbilder der indo-europäischen und japanischen Sprachen in einem Begriff.
Anhand des Beispiels von Natur/shizen werde ich zeigen, wie Untersuchungen vormoderner Materialien — wie z.B. Zeamis theoretischer Texte — von dem Verständnis der Themen und Probleme der modernen Übersetzung profitieren können. Ich argumentiere, dass ein Verständnis von Übersetzungstheorie und Sprachphilosophie zu shizen und verwandter Ausdrücke — wie z.B. das Synonym onozukara — Zeamis Anweisungen für Schauspieler verdeutlichen kann. Ist die in der Sprache vorhandene Kosmologie von Mensch und shizen geklärt, wird deutlich wie laut Zeami sich Schauspieler auf die Gegebenheiten ihrer Umgebung und ihrer Aufführung einstimmen können, um eine Wirkungskraft zu erzeugen, die über die eigene individuelle Handlungsmöglichkeiten hinausgeht.