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Sektion Theater -- Session 2

Die Rückkehr der Weiblichkeit. Takarazuka Revue, globale Zuschauer und die Macht der Ehrlichkeit als konsumtreibende Aufführungsstrategie im spätmodernen Japan

Maria Grajdian

Der vorliegende Vortrag bezieht sich auf die Kernelemente des laufenden, vom japanischen Erziehungsministerium finanzierten Forschungsprojektes "Takarazuka Revue: von einer lokalen Theaterform zu einem globalen Unterhaltungsmedium" (2014-2016). Es wird von der Grundhypothese ausgegangen, das Phänomen der Takarazuka Revue reflektiere entlang seiner 100-jährigen Entfaltung das Entstehen der Kultur im Zeichen diskursiver Performanz, die den Zusammenhang von sozialer Vergangenheit und individuellem Bewusstsein nicht kausal, sondern kontingent durch geschichtliche Praktiken hervorbringt. Seit ihrer Gründung 1913 durch Kobayashi Ichizō als Bestandteil des Eisenbahnkonzerns Hankyū begleitete die Takarazuka Revue, eine äußerst populäre japanische Form der musikalischen Unterhaltungstheaters, welche insofern eine geschlechtliche Umkehrung des männlichen Kabuki darstellt, als dass auf ihren Bühnen ausschließlich Frauen auftreten dürfen, Japan in dessen umstrittener Moderne. In diesem Beitrag wird auf die Vermarktungs- und Aufführungsstrategien der Takarazuka Revue in den letzten zwei Jahrzehnten (seit der Eröffnung des Neuen Grand Theaters in Takarazuka im Jahr 1993) fokussiert, die darauf abzielten, das klassische Klischee, die Takarazuka Revue sei ein "imaginäres Schlachtfeld zwischen Geschlecht, Kultur und Politik im modernen Japan" (Robertson 1998, Stickland 2008) zu überwinden und gleichzeitig das Modell eines neuen Identitätsparadigmas zu entwerfen, mit Liebe (ai) als Katalysator und Zärtlichkeit (yasashisa) als existentielle Haltung inmitten von konkurrierenden, realen oder virtuellen, Medienimperien. Der Übergang von Ethik zur Ästhetik and von Imagination zur Ideologie in der Darstellungsstrategien der historisch-geographischen Räume durch die Takarazuka Revue widerspiegelt und fasst ihre eigene Umwandlung von einem bedeutungslosen soziokulturellen Medium zu einer mächtigen wirtschaftspolitischen Message im Nachkriegs-Japan zusammen, die sich darüber hinaus mit der aufkommenden Erkenntnis, Japan sei nicht mehr ein "Außenseiter" zur westlichen Welt, sondern ein "Mitglied" der asiatischen Gemeinschaft, überschneidet. Jenseits kommerzieller und konsumfetischistischer Selbstinszenierungspraktiken wird somit das Bemühen der Takarazuka Revue-Verwalter und -Ideologen deutlich, ein globales Publikum anzusprechen mit politischer ‘Ehrlichkeit’ als kreative Grundbotschaft der Theateraufführung als korporativ-nationales Bewusstsein.

Am Rande der Öffentlichkeit – Nationaltheater in Tōkyō

Annegret Bergmann

Theatergebäude in Japan, so sie der Öffentlichkeit zugänglich waren, unterstanden jahrhundertelang strengen Auflagen seitens der Regierung, sowohl in Bezug auf ihren Standort als auch auf ihre Architektur. Obwohl eine der tragenden Säulen der städtischen Kultur wurden die Kabuki-Theater Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem urbanen Zentrum des damaligen Regierungssitzes Edos verbannt und hatten auch in anderen kulturellen Zentren wie Ōsaka und Kyōto ständig mit Restriktionen zu kämpfen. Die Modernisierung des Landes nach der Meiji-Restauration ermöglichte eine Relokalisierung oder den Neubau von Theatern im urbanen Zentrum und damit eine Verortung im öffentlichen Raum der japanischen Gesellschaft. Heute befinden sich die unzähligen privat betriebenen Theater in Tōkyō in den verschiedenen lokalen Konsum- und Vergnügungszentren der Stadt, allen voran das Tōkyō Takarazuka gekijō und das Kabukiza in Ginza sowie das Theater- und Konzerthaus Bunkamura in Shibuya. Die von der öffentlichen Hand betriebenen Nationaltheater dagegen befinden sich fern dieser pulsierenden urbanen Zentren zum Beispiel in Büro- oder Regierungsvierteln. Ausgehend vom Habermas'schen Konzept der Öffentlichkeit als Institution, möchte ich in meinem Vortrag der Frage nachgehen, warum die Lokalität der drei Nationaltheater als Institution in Tōkyō ein eher marginales Dasein führen. Anhand der Diskussionen um und Entscheidungen für die Funktion sowie die Standorte dieser Theater soll die Stellung dieser Häuser im Theaterleben Japans dargestellt werden.