Dissertationsprojekt Kinder (Exposee)
Yanagi Muneyoshi als Kulturvermittler: Die Berichte seiner Koreareisen aus den Jahren 1920 und 1938
(Betreuung: Prof. Dr. Evelyn Schulz)
Der japanische Philosoph und Kunstkritiker Yanagi Muneyoshi (1889-1961) ist bekannt als der Begründer der mingei undō, der japanischen Volkskunstbewegung.
Yanagi war ein in der Meiji-Zeit geborener Intellektueller, der sich ähnlich wie maßgebliche Denker und Schriftsteller seiner Zeit, beispielsweise Okakura Tenshin (1862-1913), Natsume Sōseki (1867-1916) oder Nagai Kafū (1879-1959), mit Fragen der kulturellen Identität Japans befasste.
Im Fokus der geplanten Arbeit steht die Beschäftigung Yanagis mit der koreanischen Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Noch bevor Yanagi sich mit der japanischen Volkskunst befasste, wurde er im Jahr 1914 durch die Brüder Asakawa, Asakawa Noritaka (1884-1964) und Asakawa Takumi (1891-1931), mit der koreanischen Keramik der Joseon-Zeit (1392-1910) in Kontakt gebracht. Er reiste daraufhin mehrere Male nach Korea. Während dieser Reisen verfasste Yanagi mehrere Berichtsfragmente sowie einen längeren Reisebericht mit dem Titel Chorurakikō (全羅紀行; Cholla-Reisebericht, 1938) aus Yanagi Muneyoshi Mingeikikō (柳宗悦 民芸紀行; Yanagi Muneyoshi Mingei-Reiseberichte, 1986), in denen er seine Impressionen der koreanischen Kunstgegenstände beschrieb.
Wie viele seiner Zeitgenossen kam Yanagi schon während seiner Schulzeit mit westlichen Wissenschaften in Kontakt. Bereits vor 1920 setzte er sich mit den Volkskunsttheorien von William Morris und John Ruskin auseinander, die sich auf seine Formulierung der japanischen Volkskunsttheorie auswirkten. Ebenso befasste Yanagi sich vor seiner ersten Reise nach Korea unter anderem mit William Blake.
Bei seinem ersten Kontakt mit der koreanischen Volkskunst hatte Yanagi somit bereits eine „moderne Sicht“ von Kunst und Kunsthandwerk entwickelt, die sich auf seine Bewertung der koreanischen Kunst auswirkte.
Ungeachtet des großen Interesses in Japan und Südkorea und vieler neuere Forschungsarbeiten zu Yanagi wurde seinen Reiseberichten bisher wenig Beachtung gewidmet. Das vorliegende Forschungsprojekt widmet sich diesem Desiderat der Yanagi-Forschung.
Im Mittelpunkt des Projektes sollen u.a. folgende Fragen stehen: Inwieweit man bei Yanagi von einer „modernen Sicht“ auf Korea sprechen kann? Was kennzeichnet diese spezifische Modernität? Dafür sollen die Berichtsfragmente Kare no Chōseniki (彼の朝鮮行; Seine Koreareise, 1920) aus Chōsen to sono geijutsu (朝鮮とその芸術; Korea und seine Kunst, 1922) und der zuvor genannte Reisebericht Chorurakikō analysiert und in Abschnitten übersetzt werden.
Daneben soll geklärt werden, wie sich Yanagis Reiseliteratur in die Tradition der japanischen Reiseberichte einordnen lässt. Zudem stellt sich die Frage, auf welche Weise Yanagi sein Bild von Korea vermittelt und was dieses kennzeichnet. Besondere Aufmerksamkeit soll der Frage gelten, wie die heutige transnationale Verbreitung von Yanagis Ideen zur koreanischen Volkskunst erklärt werden kann.